Wo kann man Spuren der Opfer des NS-Terrors in Köln finden, Petra Pluwatsch? Die Autorin und Journalistin im Gespräch
Shownotes
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Transkript anzeigen
00:00:00: Die
00:00:00: Polizei überwachte die sogenannten Klappen.
00:00:02: Das waren kleine Telefonhäuschen und wer sich zu lange daran aufhielt, der war per se schon verdächtig, nicht nur die Toilette benutzt zu haben und wurde schon mal festgenommen.
00:00:22: Hallo und herzlich willkommen bei Talk mit K, dem Talk-Podcast des Kölner Stadtanzeiger.
00:00:29: Sehr ein einfaches Prinzip hat, wir unterhalten uns mit spannenden Menschen aus dieser Stadt.
00:00:34: Und ein solcher Mensch ist heute zu Gast und zwar schon zum zweiten Mal.
00:00:37: darüber freue ich mich sehr, nämlich meine ehemalige Kollegin Petra Pluvac, tolle Autoren, die viele Jahre für den Kölner Stadtanzeiger in verschiedenen Positionen gearbeitet hat.
00:00:47: Zuletzt als Chefreporterin.
00:00:49: Zum Glück schreibt sie immer noch für uns.
00:00:50: Sie können ihre tollen Literaturresensionen bei uns regelmäßig lesen.
00:00:54: Aber sie macht auch noch andere Sachen und deswegen ist sie heute hier.
00:00:58: Sie kümmert sich nämlich ganz besonders intensiv um das Stolpersteine-Projekt und hat da ein neues Buch geschrieben.
00:01:04: Aber bevor wir darüber reden, sag ich herzlich willkommen, Petra.
00:01:07: Ja, hat fein, dass ich hier sein darf.
00:01:09: Räu mich sehr.
00:01:11: Ebenso.
00:01:12: Ein zweites Buch, du hast ja schon eines geschrieben, das heißt verfolgt und nicht vergessen.
00:01:17: Jetzt gibt es ein neues, das heißt auf der Spur der Stolpersteine, Elfwege der Erinnerung durch Köln.
00:01:22: Ich habe mir überlegt, es ist, kann man vielleicht sagen, so eine Art Reiseführer in die Vergangenheit, in ein dunkles Kapitel Kölner und damit natürlich auch deutscher Geschichte.
00:01:32: Ja, es hat auf jeden Fall etwas von einem Stadtführer.
00:01:34: Also es hat eine Doppelfunktion.
00:01:36: Es soll natürlich die Menschen vorstellen, die hier gelebt haben und die irgendwann deportiert wurden oder die verfolgt wurden, die fliehen konnten.
00:01:43: Und es soll gleichzeitig auch einiges über diese Stadt hier erzählen.
00:01:46: Es sind, wie du schon sagtest, elf Kapitel, elf Viertel, durch die man wandern kann.
00:01:52: Und es wird auch die Geschichte dieser Viertel erzählt.
00:01:54: Wann zum Beispiel wurde Deutsch eingemeintet?
00:01:56: Es war, Ich bin stolz, dass ich das weiß.
00:02:03: Oder was ist mit Lindental gewesen?
00:02:05: Wann wurde Lindental zu dem, was es heute ist?
00:02:08: Wie haben sich Szeneviertel entwickelt?
00:02:10: So gesehen kann man also Menschen kennenlernen, die damals gelebt haben.
00:02:14: Und man kann diese Stadt kennenlernen in all ihren Facetten.
00:02:18: kamst du auf die Idee, das so zu machen.
00:02:22: Du hast es gerade gesagt, es sind elf Routen in unterschiedlichen Vierteln und die Idee ist, es gibt ja eine Karte und man kann dann die einzelnen Wege, die du sozusagen abschreitest, kann man mit dem Buch in der Hand abschreiten und kann dann die Stolpersteine suchen und dazu die Geschichten.
00:02:37: Aber wie ist das Konzept für dieses Buch entstanden?
00:02:41: Ich habe im Jahr zweimal im Jahr Steupersteine verlegt, immer im Frühling und im Herbst, jetzt im November ist die nächste Verlegung.
00:02:59: Wir informieren mit diesen Schreiben die Menschen, die heute in diesen Häusern wohnen, um wenig sich bei den Opfern handelt.
00:03:06: Du hast das hier schon gesehen, man sieht das Geburtsdatum, man sieht, was passiert ist, Deportation oder Flucht, aber mehr weiß man nicht und ich fülle halt die Lücken dazwischen.
00:03:17: Und im Laufe von jetzt bald sechs Jahren hat sich da natürlich einiges angesammelt und irgendwann kam die Idee, die Geschichten halt noch mehr zu verbreiten über diese Anwohner schreiben hinaus und das war quasi Ja, das war der Beginn dieser Idee.
00:03:31: Du hast
00:03:31: gerade schon gesagt, man lernt auch was über Köln, also man lernt was über die Entwicklung der einzelnen Viertel, wann was eingemeindet wurde, wie sich ein Viertel auch entwickelt hat, was da vielleicht früher für Menschen hauptsächlich gelebt haben, wie sich also auch so ein bisschen die Sozialstruktur verändert hat.
00:03:46: Was hat dich denn da am meisten überrascht?
00:03:49: oder was wusstest du vielleicht vorher nicht, was hast du über Köln gelernt?
00:03:53: Ach, ich habe eine ganze Menge gelernt.
00:03:55: Ich lebe seit bald fünfzig Jahren im Linksrheinischen und bin dann zum ersten Mal bewusst durch Deutsch gegangen.
00:04:01: Ich habe mich gewundert, wie schön Deutsch ist und was für schöne Ecken man da entdecken kann.
00:04:05: Das zum Beispiel war eine große Überraschung.
00:04:08: Wenn man durch das Griechenmarkt Viertel geht, also in die Straßen ringsrum, da zum Beispiel sieht man, wie groß die Zerstörung die Köln halt erlitten hat, bis nineteenundvierzig.
00:04:19: wie diese Stadt auch in ihrer Hässlichkeit wieder aufgebaut worden ist und sich das noch mal zu bewusst zu machen.
00:04:25: Das fand ich sehr überraschend.
00:04:26: Und
00:04:26: jetzt hast du diese Routen festgelegt.
00:04:28: Es hätte ja auch unzählige andere geben können.
00:04:32: Nach welchen Kriterien bist du da vorgegangen?
00:04:34: Also klar, man versucht mutmaßlich an verschiedenen Ecken Kölnens, was zu finden.
00:04:39: Aber es hätte ja auch, du hättest auch sagen wir mal, elf komplett andere wählen können.
00:04:44: Also warum diese?
00:04:45: Wie bist du da vorgegangen?
00:04:46: Also ich hätte in der Tat ganz andere noch wählen können.
00:04:49: Es gibt ja nun viele Stadtviertel hier in Köln.
00:04:51: Ich glaube an die neunzig, achtzig, neunzig so in den Drehraum.
00:04:54: Wie auch immer.
00:04:55: Ich habe erst mal gesichtet, was ich überhaupt am Material habe.
00:04:59: Wo haben jüdische und auch andere Opfer, denn wir reden nicht nur von jüdischen Opfern, wo haben die gelebt, wo haben sie sich konzentriert?
00:05:06: Was habe ich bereits am Material und wie lässt sich daraus eventuell eine gangbare Route machen?
00:05:11: Also habe ich das abgecheckt.
00:05:13: Google Maps ist da sehr, sehr hilfreich.
00:05:15: Und hab dann die Lücken gefüllt mit Biografien, an denen mir auch am Herzen lag.
00:05:19: Also einige Geschichten wollte ich einfach erzählen.
00:05:22: Zum Beispiel die von Maria Herz, einer jüdischen Komponistin, die weitgehend vergessen ist.
00:05:28: Oder die von Johnny Herz, der mit der Komponistin übrigens nicht zu tun hat.
00:05:33: Das war ein kleiner Junge, der in einem Ghetto-Haus geboren wurde.
00:05:38: Er hatte null Chance.
00:05:39: Er wurde in Auschwitz ermordet, als er mal laufen konnte.
00:05:44: Diese Geschichten wollte ich erzählen und habe daraus die Wege konstruiert.
00:05:49: Ein etwas schwierig war, dass ich diese Wege erst abgegangen bin, als das Buch fertig war.
00:05:55: Das war ungünstig, weil ich Geschichten wieder streichen musste.
00:05:58: Es ging einfach nicht.
00:06:00: Dann habe ich in Linnenthal, ich muss es offen zugeben, habe ich mich komplett übernommen, das sind fast sieben Kilometer, also da muss man irgendwo in der Mitte einsteigen und in der Mitte wieder aufhören, das war zu lang.
00:06:09: Warum
00:06:10: musstest du, also warum musstest du welche streichen?
00:06:12: Weil man es einfach nicht abgehen konnte.
00:06:14: Ach so,
00:06:14: weil es zu lang war?
00:06:15: Ja, es war zu lang oder es führte auch durch Gegenden, die einfach sehr, sehr unaktaktiv sind und es soll ja auch ein wenig Stadtgeschichte wie gesagt vermitteln und ich möchte dann nicht unbedingt durch ein Industriegebiet in Ehrenfeld führen.
00:06:28: Wenn
00:06:28: dann da wirklich nur noch der Stein ist?
00:06:30: der sozusagen das letzte was geblieben ist.
00:06:32: So war es.
00:06:33: Ja.
00:06:33: Das
00:06:33: heißt jetzt ist es schon auch so, es gibt auch sehr viele Fotos in dem Buch.
00:06:37: Also man kann auch oft sehen, zum Beispiel so sah die Straße aus zu der Zeit, als die Menschen dort lebten.
00:06:43: Das heißt, das war für dich auch ein Kriterium zu gucken.
00:06:46: Man soll auch ein bisschen mehr sehen können als diesen Stolperstein.
00:06:49: Man soll sich vielleicht auch vorstellen können, wie das war zu der
00:06:52: Zeit.
00:06:52: Ja, man kann es sich in einigen Stadtvierteln auch ganz hervorragend vorstellen.
00:06:56: Wenn man zum Beispiel rund um den Volksgarten geht, da waren die Kriegsverstörungen relativ gering.
00:07:02: Also die Volksgartenstraße mit ihren prachtvollen Häusern, da liegen einige Steine auch in den Nebenstraßen, kann man sich vorstellen, wie es damals war.
00:07:10: Bei anderen Vierteln, wie gesagt, in der Innenstadt ist das natürlich schon sehr viel schwieriger.
00:07:15: Da muss man seine Fantasienanspruch nehmen.
00:07:18: Aber was geblieben ist, ist natürlich die Straßenführung oder teilweise die Enge der Straßen, die näher zu einer Straßenbahn oder die näher zum Rhein, so dass man sich sehr gut vorstellen kann, wie diese Menschen vor achtzig, neunzig Jahren hier gelebt und gearbeitet haben.
00:07:35: Du schreibst, dass du auch auf diesen Routen, die du jetzt ausgewählt hast, dass man da auch an Stolpersteinen vorbeikommt, auf die du jetzt nicht eingehst oder auch teilweise in Häusern, erzählst du die Geschichte von Bewohnerinnen und dann steht unten drunter, da lebten aber auch noch die und die Personen.
00:07:51: Es hat mich irgendwie ja auch berührt, weil man eben sieht, also selbst wenn man, sagen wir mal, manche sind ungefähr ein Kilometer oder anderthalb Kilometer lang, das ist jetzt auch keine endlos lange Entfernung, aber das selbst trotzdem da ... es so viele Stolpersteine gibt, dass du manche einfach auslassen musst, weil es zu viele geworden wäre.
00:08:09: Ja, es geht gar nicht anders.
00:08:10: Wir haben mittlerweile knapp dreitausend Stolpersteine in Köln und jedes einzelne Schicksal verdient eigentlich einen Kapitel in einem Buch.
00:08:17: Nur das ist nicht leistbar.
00:08:19: Aber wie du schon sagst, man sieht auch, wie eng die Menschen aufeinander gewohnt haben, also nebeneinander gewohnt haben.
00:08:25: Man sieht eventuell auch familiäre Bezüge.
00:08:28: Aber man muss bei so einem Projekt wirklich Mut zur Lücke haben, sonst funktioniert das nicht.
00:08:33: Wenn man das so liest und sich damit beschäftigt, du jetzt auch das recherchiert hast, ich musste daran denken, dass natürlich nach dem Krieg viele Menschen gesagt haben, ja, wir haben da von dieser Verfolgung, wir haben das eigentlich gar nicht so richtig mitbekommen und betraf das nicht.
00:08:47: Das war irgendwo anders.
00:08:48: Wenn das an so vielen Orten ist, wo Menschen plötzlich, du beschreibst das auch, dass dann häufig zum Beispiel jüdische Bewohnerinnen gezwungen wurden, auszuziehen aus ihren Häusern, die zu verkaufen, in sogenannte Ghetto-Häuser zu ziehen.
00:09:00: Denkt man darüber nach, also wie plausibel das ist, dass jemand jetzt mitten in Köln gelebt hat und das nicht mitbekommen haben will?
00:09:07: Also das war für mich die Erkenntnis meiner Arbeit in den letzten sechs Jahren.
00:09:10: Es kann einfach nicht sein, dass die Menschen das nicht mitbekommen haben.
00:09:13: Es waren ihre Nachbarn, es war der Bäcker um die Ecke, es war die Schülerinnen, die neben einem in der Schule gesessen hat und diese Menschen sind auf einmal verschwunden oder man sah sie mit fünfzig Kilo Gepäck Richtung Deutsch marschieren und dann zu sagen, wir haben nichts gewusst.
00:09:28: Das ist, Entschuldige, das ist Blödsinn.
00:09:30: Wir haben ja schon mal über dein erstes Buch gesprochen.
00:09:33: Da hast du erzählt, was ich in total interessant fand, dass Adressbücher extrem hilfreich sind, wenn man solche Geschichten recherchiert, wo man ja zuerst denkt, ja gut, da steht halt eine Adresse drin.
00:09:42: Aber kannst du noch mal kurz erzählen für die, die das Gespräch nicht kennen?
00:09:45: Wie geht man denn davor, wenn man jetzt eine Person, wie zum Beispiel dieser Johnny, ich meine, das war ein Kind.
00:09:51: Da gibt es natürlich auch nicht viel Lebensgeschichte und deshalb auch leider nicht viel, was zurückgeblieben ist.
00:09:56: Wie recherchiert man so was?
00:09:58: Also bei Johnny muss ich mich quasi von außen über seine Familie nähern.
00:10:01: Denn von ihm existiert in der Tat nur das Geburtsdatum und das Todesdatum.
00:10:06: Und es gibt, dann sind wir schon bei einer Quelle, es gibt Briefe.
00:10:11: Aus dem Ghetto, nein, nicht aus dem Ghetto, Entschuldigung, es gibt Briefe von Auschwitz nach Köln, in denen beschrieben wird, dass der Kleine jetzt anfängt zu reden, dass er anfängt zu laufen und so etwas.
00:10:22: Und solche Quellen sind natürlich sehr, sehr wertvoll für uns.
00:10:26: Du fragst, wie ich anfange.
00:10:27: Ich gucke erst mal im NS-Dokumentationszentrum, gucke ich in den Computer.
00:10:32: Wir haben dort eine große Datenbank.
00:10:35: Und da stehen schon mal wesentliche Daten drin auch.
00:10:38: Wann wurde jemand deportiert?
00:10:40: Es gibt Verweise auf weitere Quellen.
00:10:43: Dann gucke ich ja klar, ich gucke in meiner heiß geliebten Adressbücher.
00:10:46: Wo lebten die Leute?
00:10:47: Wann haben sie eventuell ... die den Wohnort wechseln müssen?
00:10:51: oder wann verliert sich ihre Spur, wann zogen sie in ein sogenanntes Ghetto-Haus.
00:10:56: Das sieht man, wenn viele jüdische Bewohner in dem Haus waren.
00:11:00: Es gibt Briefe manchmal von Verwandten, es gibt im Idealfall Tagebücher, es gibt vielleicht auch Schulzeugnisse und aus all dem setzt sich so einen Mosaik zusammen und man kann in etwa eine Lebensgeschichte konstruieren.
00:11:14: Nein, nicht konstruieren, man kann eine Lebensgeschichte zusammenfügen.
00:11:18: Allerdings immer in dem Wissen, dass Lücken bleiben werden, denn man wird eine Person nie zur Gänze erfassen können.
00:11:25: Wie wichtig sind Nachfahren von Opfern?
00:11:30: Also es gibt ja auch immer wieder Wenn jetzt Steuerpasteine verlegt werden, da bist du ja auch dann dabei, dass zum Beispiel aus den USA oder aus Israel oder woher auch immer Angehörige anreisen, um dabei zu sein.
00:11:42: Hast du da auch Gespräche jetzt auch für dieses Buch geführt?
00:11:45: Nee, für dieses nicht, aber für mein nächstes, was im Planung ist, kann ich gleich ein bisschen werben.
00:11:50: Da geht es nämlich um die zweite Opfergeneration oder sogar um die Dritte, also um die Nachfahren von jüdischen oder auch anderen Opfern.
00:12:00: Wir haben relativ häufig Besuch von Enkeln, von Ur-Enkeln, die wissen wollen, was ist damals passiert und die auch bei den Störpersteinverlegungen dabei sind.
00:12:10: Und viele von ihnen bringen Fotos mit oder Briefe oder andere Dokumente.
00:12:15: Wir hatten zum Beispiel letztes Jahr einen Besuch von Peter Goodman.
00:12:19: Der hat nach, ist ein Architekt aus Kalifornien.
00:12:23: Und seine Eltern sind Ende der neunzehnten, neunzehnt, dreißiger Jahre in die USA geflohen, haben sich dort verliebt, geheiratet und er ist halt ihr Sohn.
00:12:31: Und er hat nach seiner Pensionierung angefangen, die alten Papiere zu checken.
00:12:36: Sie waren leider in südter Liniebriefe.
00:12:38: Er ist dann zum Konsulat gegangen, ich glaube in San Francisco oder Los Angeles, ich weiß gar nicht genau.
00:12:44: Und hat dort gebeten, dass man die Briefer entziffert.
00:12:47: Haben sie dann auch getan mit vielmöhe.
00:12:49: Und die hat er uns mitgebracht.
00:12:50: Und das zum Beispiel ist auch eine ganz große, großartige Quelle.
00:12:55: Wie haben sie mit ihren Eltern kommuniziert, die in Deutschland geblieben sind und die irgendwann nicht mehr geantwortet haben?
00:13:01: Wie war es mit der Wiedergutmachung der sogenannten?
00:13:04: All das erfährt man natürlich von den Nachfahren.
00:13:07: Im Idealfall.
00:13:09: Da muss ich jetzt nochmal einmal nachracken, das neue Buchprojekt betreffen.
00:13:13: Wir kommen gleich natürlich zurück zu dem aktuellen, aber weil ich das eine interessante Frage finde und das wird ja auch häufig diskutiert, inwieweit Traumata über Generationen weitergegeben werden und Einfluss haben auf das Leben von Menschen, die mit dem eigentlichen Trauma gar nicht in Berührung gekommen sind.
00:13:30: Kannst du da was sagen?
00:13:31: Hast du da jetzt aus dieser Beschäftigung schon für dich so erste Erkenntnisse gezogen?
00:13:35: Ja, also ich habe an diese Generationsübergreifenden Traumata, ich habe nie darüber nachgedacht.
00:13:40: Das hat sich jetzt natürlich rapide geändert, denn ich habe bereits mit sieben Personen, Männern und Frauen eigentlich aus der ganzen Welt gesprochen.
00:13:49: Und sie alle haben ja gesagt, dass das Schicksal der Eltern oder der Großeltern oder der übrigen Verwandten ihr Leben natürlich ganz entscheidend beeinflusst hat, allein durch die Tatsache, dass niemand darüber gesprochen hat.
00:14:01: Nur sie haben immer gespürt, es ist doch irgendwas, alle anderen Eltern.
00:14:05: Alle anderen Kinder haben Großeltern, aber wir nicht.
00:14:07: Und wir fragen nach Oma, Oma Paula oder Onkel Peter und dann ist das große Schweigen.
00:14:15: Und genau das hat diese Menschen sehr belastet.
00:14:19: Und belastet sie auch bis heute.
00:14:20: Und ich vermute, dass sie das ihnen vielleicht einer etwas kleineren Portionierung an die nächste Generation weitergeben.
00:14:27: Wie wichtig ist so ein Buch, glaubst du, jetzt in einer Zeit, in der es fast niemanden mehr gibt, der sich wirklich noch ... gut daran erinnern kann, wie das damals zu dieser Zeit war, sowohl auf Opferseite als auch auf Täterseite.
00:14:40: Also ich glaube, allein deswegen, weil sich niemand mehr so recht erinnern kann oder weil die Zeitzeugen weniger werden, sind Bücher wie diese einfach wichtig, um die Erinnerung wach zu halten.
00:14:51: Einmal um zu zeigen, was in der Vergangenheit passiert ist und als Warnung für die Gegenwart, was passieren könnte, wenn Antisemitismus zunimmt, was ja momentan leider der Fall ist.
00:15:03: Ich würde gerne mal ein paar Fälle rausgreifen, also es sind sehr, sehr viele.
00:15:08: Es sind diese elf Rundgänge, aber beim Lesen, man stolpert ja tatsächlich über gewisse Personen.
00:15:17: Ich fange mit einem an, weil ich finde, weil das so was total alltägliches ist.
00:15:20: Und mich hat das aber berührt.
00:15:22: Und zwar geht es um Hilde Levy, die wohnte in der Lütticher Straße, dreiundvierzig.
00:15:28: Und er abgebildet in deinem Buch ist ein Eintrag aus einem Positalbum von einer gewissen Ingelore Silberbach.
00:15:35: Und da haben diverse Mitschüllerinnen unterschrieben und eben auch Hilde Levy.
00:15:39: Und der Spruch in diesem Positalbum, das ist von der Art.
00:15:43: und der Laute zum Andenken, richte nicht den Wert des Menschen schnell nach einer kurzen Stunde.
00:15:50: Oben sind bewegte Wellen, doch die Perle liegt im Grunde.
00:15:54: was ich dann dachte in dieser Zeit und unter diesen Umständen und diese Person, das hat mich irgendwie berührt, weil das so was, ich finde so ein Pursieralbum im Eintrag so was alltäglich ist.
00:16:04: Das kennen ja wohl die Allermeisten, oder?
00:16:06: Wie ist das, wenn man dann so was findet, wenn man sich mit so einem Menschen beschäftigt und dann über solche Dinge auf solche Dinge stößt?
00:16:12: Also ich finde das regelmäßig sehr berührend, denn ich nähere mich diesen Menschen erst mal über Daten und das ist ja doch ein relativ, ja, wie soll ich sagen, eine objektive Annäherung.
00:16:23: Aber wenn ich solche Zeugnisse finde oder wenn ich auf einmal ihre Schrift sehe oder auch Fotos von ihnen finde, da kommen die mir natürlich sehr viel näher.
00:16:31: Dann werden sie zu den Menschen, die ich auch schildern möchte.
00:16:34: Was kannst
00:16:34: du kurz erzählen, wer diese Hüde-Livy war?
00:16:37: Sie war Hüdein.
00:16:39: Ja, sie ist in einem sehr liberalen Elternhaus aufgewachsen und deswegen ist sie als zehnjährige, neunzehntfünfunddreißig, genau, auch auf eine städtische Schule gewechselt, nämlich auf die Königin Luise-Schule.
00:16:50: Der Vater war Friedrich Levy, war Soldat im Ersten Weltkrieg gewesen und ersetzte auf Integration statt Abgrenzung.
00:17:00: Kleine Werbeunterbrechung in eigener Sache.
00:17:03: Hier ist Sarah Brassack, stellvertretende Chefredakteurin des Kölner Stadtanzeiger.
00:17:06: Wir berichten in der gedruckten Ausgabe oder im E-Paper des Kölner Stadtanzeiger sowie auf ksdr.de täglich intensiv über alles Wichtige, was in Köln passiert.
00:17:17: Aber natürlich auch in der Region, Deutschland und der Welt.
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00:17:32: Oder für das rein digitale Abonnement unter www.kstra.de.au.
00:17:38: Und jetzt geht's weiter mit dem Podcast.
00:17:41: So ist sie auch erzogen worden, nur es hat ihr natürlich nicht geholfen, denn im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr,
00:17:59: im Frühjahr, im Frühjahr, Wie ich dein Buch entnommen habe, ist es so, dass die Königin Luiseschule, die haben ein Gedenkbuch, das sie opfern, des NS, Terrors widmen.
00:18:09: Das kann man sich angucken auf der Homepage.
00:18:11: Ja, die haben eine wirklich fantastische Erinnerungskultur.
00:18:14: Ich kann es überhaupt nicht anders sagen.
00:18:15: Die haben also einen Opferbuch, wo Schülerinnen der zehnten Klasse vor einigen Jahren sehr viele Opfergeschichten aufgearbeitet haben.
00:18:24: Das kann man einsehen.
00:18:26: Ich habe teilweise, weil ich ganz baff, was für Quellen die gefunden haben und wie sie die ausgewertet haben.
00:18:31: Und es gibt regelmäßig Stoppersteinverlegung vor der Schule für jüdische Schülerinnen oder auch, ich glaube, auch für jüdische Lehrerinnen, die halt die Schule verlassen mussten oder die ermordet wurden.
00:18:43: Also ich kann jedem nur sagen, geht mal vorbei und guckt euch das an.
00:18:46: Ist einfach toll.
00:18:47: Genau das Gleiche ist in Deutsch, in der Schaurete Straße.
00:18:51: Die haben eine ähnlich gute Erinnerungskultur, allerdings nicht ein so tolles Gedenkbuch wie die Königin Louise Schule.
00:18:58: Wir haben das gerade, also Hilde Levy würde man sagen, war ja eine ganz normale Frau.
00:19:03: Du hast sehr unterschiedliche Geschichten erzählt, also eben sehr viel von ganz durchschnittlichen Menschen.
00:19:09: wo ich auch, was ich auch wieder sehr berührend fand, weil man dann so oft Familienfotos hat.
00:19:13: Und logischerweise sehen die halt da fröhlich aus, die sind zum Beispiel Verlobungsfotos oder Familienfotos, die sind irgendwie, die haben sich schick gemacht, die sehen gut aus, die Kinder sind rausgeputzt.
00:19:23: Also man sieht, wie das eben so ist, wenn man so ein Foto machen will und jeder kennt das, jeder kann sich noch erinnern, ach Gott, da weiß ich noch, als wir dieses Familienfoto gemacht haben und meine Mutter dann wollte, die unbedingt, dass ich die Haare so und so trage.
00:19:33: Das ist, da kommen sie einem wahnsinnig nahe, das ist wie bei diesem Poesiealbum.
00:19:38: Eintrag.
00:19:39: Ja,
00:19:39: sie kommen mir nah wie Freunde und als ich das erste Buch geschrieben habe, da sind nur fünfzehn Personen vorgestellt, habe ich mir manchmal vorgestellt, ich würde sie alle einladen und so würden wir uns zu Abend essen.
00:19:49: Das
00:19:49: wäre bestimmt eine interessante Runde.
00:19:52: Man stößt aber auch auf Menschen, die Spuren auch andere Spuren hinterlassen haben.
00:19:57: Ich fand zum Beispiel sehr interessant die Geschichte von Manuel Manfred Faber, zwar ein Architekt.
00:20:03: Und ich bin gerade in Corona-Zeiten viel durch Köln spaziert, unter anderem auch durch Riel und bin da durch die Naumann-Siedlung gelaufen.
00:20:10: Fand das irgendwie sehr interessant, die Architektur da.
00:20:13: Ich kannte das vorher, ehrlich gesagt, nicht.
00:20:15: Und jetzt habe ich aus deinem Buch gelernt, dass das Herr Faber war.
00:20:18: der diese Siedlung entworfen hat.
00:20:21: Herr Farber hat diese Siedlung entworfen und er hat auf der anderen Seite die sogenannte Märchensiedlung entworfen, die man sich heute auch noch ansehen kann.
00:20:28: Das steht alles unter Denkmalschutz.
00:20:30: Er hatte damals die Vision, billigen Wohnraum, billigen und schönen Wohnraum für Menschen mit weniger, weniger Einkommen zu schaffen, also mit Gärten und mit einer schönen Küche und einem eigenen Badezimmer.
00:20:42: Und er hat hier in Köln die Chance bekommen, diese Träume zu verwirklichen.
00:20:46: Er war Anfang der dreißiger Jahre eigentlich auf dem Höhepunkt seiner Karriere.
00:20:50: Er hatte Aufträge ohne Ende, er wurde geährt.
00:20:53: Er war in verschiedenen Vereinigungen und mit dreiunddreißig war es damit natürlich vorbei.
00:20:57: Er hat keine Aufträge mehr bekommen und er ist irgendwann dann ja auch er ist im KZ ermordet worden.
00:21:05: Völlig in Vergessenheit geraten.
00:21:07: und jetzt erst in den letzten Jahren redet man wieder über Herrn Faber.
00:21:11: Erinnerungstafeln, Gedenktafeln erinnern an ihn.
00:21:14: Eine kleine Stähle ist hier sogar, soweit ich mich erinnere, in der Naumannsiedlung.
00:21:19: Also er ist wieder präsent.
00:21:21: Das ist auch was, was sich durchzieht, dass es sehr viele Geschichten gibt von Menschen, die sehr erfolgreich waren, die Geschäfte geführt haben, Unternehmen aufgebaut.
00:21:31: Das geht teilweise bis, also, fast weltweit erfolgreiche Unternehmen.
00:21:37: Also zum Beispiel Menolissauer, ich kannte den offen gestanden vorher auch nicht, der auch in die USA geflohen ist, war
00:21:47: richtig.
00:21:47: Aber ein sehr, sehr erfolgreicher Unternehmer, Man weiß über diese Leute, also ich zumindest und ich interessiere mich schon sehr für Geschichte, hab von dem noch nie gehört.
00:21:58: Das ist begegnet einem an so vielen Stellen, dass man einfach wirklich sieht, das waren eben Menschen mitten in der Gesellschaft.
00:22:05: die teilweise sehr erfolgreich war, nicht dass das jetzt eine Rolle spielt, ob man erfolgreich ist, aber man merkt, wie dann trotzdem diese Spuren so verloren gegangen sind, einfach durch diesen Bruch.
00:22:14: Ja, sie waren eingebettet in die Gesellschaft.
00:22:16: Sie waren teilweise hoch angesehen.
00:22:18: Zum Beispiel die Familie Teetz vom Warenhaus Teetz.
00:22:21: Das war die große Unternehmerfamilie hier in Deutschland.
00:22:25: Da sind auch zwei Angehörige in dem Buch berücksichtigt.
00:22:28: Und mit drei und dreißig kam der große Bruch.
00:22:31: Sie mussten ihre Aktien verkaufen und haben das Land verlassen.
00:22:35: Ihr Warenhaustietz wurde unbenannt in Kaufhaus AG.
00:22:39: Kein Mensch sprach mehr von ihnen.
00:22:41: Und dieser Herr Lissauer war ein Riesenunternehmer zusammen mit seinem Bruder.
00:22:46: Die kamen aus ganz kleinen Verhältnissen, haben sich hochgearbeitet.
00:22:49: Die hatten hier ein großes Unternehmen.
00:22:51: Metallwaren waren das.
00:22:53: in Amsterdam später.
00:22:55: Und sie hatten Depondance ein bisschen nach Brasilien und halt auch in die USA, was Lissauer und seiner Familie letztendlich wohl das Leben gerettet hat, denn sie hatten erst mal die Kontakte zu gehen und sie hatten auch das Geld zu gehen.
00:23:07: Aber
00:23:07: das liest man auch aus vielen Geschichten heraus, dass Menschen zum Beispiel auch einige, die im Ersten Weltkrieg gekämpft haben, dass dabei vielen eben noch ganz lange dieser Glaube vorherrscht und was man ja auch total verstehen kann.
00:23:21: Ich bin deutscher, ich bin Teil dieser Gesellschaft.
00:23:23: Ich habe sehr viel für dieses Land gegeben.
00:23:25: So schlimm kann es schon nicht kommen.
00:23:27: Das ist bei ganz vielen Geschichten, dass man immer denkt, warum seid ihr nicht früher gegangen?
00:23:31: Aber man muss sich natürlich versuchen, da hineinzuversetzen.
00:23:35: Das hat mich dann auch so berührt, weil es da natürlich in vielen Geschichten einfach zu spät war, als sie dann versucht haben, doch noch aus Deutschland zu fliehen.
00:23:43: Ja, ich denke auch, dass die Menschen, also viele von ihnen, nicht sehen konnten oder nicht sehen wollten, was in ihrem Land vor sich ging.
00:23:50: Und sie hielten es für unmöglich, dass sie mit einem Stammbaum, ich weiß nicht, für über hundert Jahre, dass sie in ihrer Heimat nicht mehr erwünscht sein könnten, nicht wegen irgendeiner Sache, die sie getan haben, sondern wegen dem, was sie sind, weil sie Juden sind oder weil sie eventuell eine Einschränkung haben oder weil... Ihre politische Ansicht ist nicht die, die jetzt gerade gängig ist.
00:24:11: Also, und als Sie es begriffen haben, wie du schon sagst, dann war es natürlich zu spät.
00:24:16: Es gab bei anderen familiäre Beziehungen, zum Beispiel alte Eltern, die nicht weg konnten oder nicht weg wollten.
00:24:22: Wenn die Eltern starben, hatten wir hier auch einen Fall Anfang der vierziger Jahre.
00:24:26: Ja, wo solltest du denn da noch hin?
00:24:29: Ja, und dann hast du natürlich auch viele Fälle, das Schildersteort, dann sind die... Was ja eigentlich vorausschauend war, zum Beispiel in die Niederlande gegangen oder nach Belgien oder nach Frankreich.
00:24:38: Ja, das war eine ganz fatale Entscheidung.
00:24:40: Im ersten Moment war das natürlich prima.
00:24:42: Du gehst nicht weit weg, du kannst eventuell noch ein bisschen was von deinem Geld und deiner Haare retten.
00:24:47: Aber am zehnten Mai, April, war es damit vorbei, denn dann fing der Westfälzog an.
00:24:52: Die deutschen Truppen überfielen die Nachbarländer und auch dort setzte die Verfolgung der Jüdinnen und Juden ein.
00:24:57: Es
00:24:57: sind viele jüdische Verfolgte, es gibt aber auch andere Fälle, zum Beispiel ein Fall Leona Dolny, das war ein achtzehnjähriger Schüler, der sich das Leben genommen hat.
00:25:10: Auch eine ganz tragische Geschichte, vielleicht kannst du zu dem mal was sagen, weil der natürlich auch für eine Personengruppe steht, die verfolgt wurde.
00:25:17: Er kam aus einem katholischen Elternhaus und er war homosexuell.
00:25:21: Jedenfalls ist das anzunehmen.
00:25:24: Und angeblich hat er sich Männern angeboten.
00:25:26: Und einer dieser Männer hat ihn wohl angezeigt.
00:25:28: Er ist dann festgenommen worden.
00:25:30: Er ist dann zwei, drei Tage später morgens tot aufgefunden worden.
00:25:34: Und er war nicht der einzige.
00:25:37: Es gab auch eine große Verhaftungswelle gegen Homosexuelle.
00:25:43: Die Polizei überwachtete die sogenannten Klappen.
00:25:45: Das waren kleine Telefonhäuschen und wer sich zu lange daran aufhielt, der war per se schon verdächtig, nicht nur die Toilette benutzt zu haben und wurde schon mal festgenommen.
00:25:56: In Klingelpütze haben sich, glaube ich, innerhalb von vier oder fünf Tagen mindestens fünf Menschen umgebracht.
00:26:02: Sie haben sich umgebracht, weil sie ansonsten eventuell im KZ gelandet wären und zwar für viele Jahre.
00:26:07: Es begegnet uns auch eine Frau, die später heilig gesprochen wurde, Edith Stein.
00:26:12: Auch eine ganz brühende Geschichte, wie ich finde.
00:26:14: Ich glaube, die werden wahrscheinlich viele kennen, aber so richtig mit Köln verbinden tun die vielleicht gar nicht alle.
00:26:20: Edith Stein hat in Köln sogar gleich mehrere Erinnerungssteine.
00:26:23: Und einer davon ist in der Dürrener Straße.
00:26:28: Also in Lintentalen liegt da, wo ihr Kloster stand, ihr Karmel.
00:26:32: Sie stammte aus Bresla aus einer sehr kinderreichen Familie, seiner jüdischen Familie und hat früher einen Vater verloren.
00:26:38: Aber die Mutter hat es geschafft, diese vielen Kinder irgendwie gut durchzubringen.
00:26:43: Sie hat dann Philosophie studiert.
00:26:45: Sie war auch sehr erfolgreich.
00:26:47: Aber sie hatte immer den Wunsch nach mehr, also nach religiöser Erfüllung.
00:26:51: Sie hat dann mit drei oder vierundzwanzig die Schrift einer Heiligen gelesen.
00:26:55: Ich muss gestehen, dass mir der Name jetzt entfallen ist.
00:26:59: Das war für sie eine Art Erweckungserlebnis.
00:27:02: Sie ist dann zum Katholizismus übergetreten, obwohl die Familie natürlich völlig entsetzt war.
00:27:07: Wie kannst du nur?
00:27:08: Und eigentlich wollte sie damals schon jetzt groß da gehen, hat es aber nicht gemacht, weil sie wie sie in ihren Erinnerungen schreibt, Angst hatte, dass es die Mutter umbringt.
00:27:16: Also das wäre einfach so viel gewesen.
00:27:19: Und als der Nachtdreieunddreißig die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung begann und sie ihren Job verlor an einer Uni, da hat sie sich gesagt, okay, ich gehe jetzt ins Kloster, vielleicht bin ich da auch etwas sicherer und ich folge halt meiner Bestimmung.
00:27:33: Aber sicherer war sie da leider auch nicht.
00:27:36: Sie musste achtunddreißig nach in die Niederlande fliehen.
00:27:40: und ist in Auschwitz ermordet worden.
00:27:42: Was
00:27:43: ich auch sehr interessant finde, weil das an so vielen Stellen im Buch begegnet.
00:27:48: Und zwar schreibst du über Erich Klippanski, das war der Direktor einer jüdischen Schule.
00:27:53: Und man hat das ganz, bei ganz vielen Geschichten hört man dann, die Person musste die, musste ihre Schule verlassen und ist dann auf die Jafne, spricht man das so aus?
00:28:03: Genau.
00:28:04: Kannst du mal ein bisschen was von dieser Schule und dann eben vielleicht auch von diesem Direktor erzählen?
00:28:08: Ja, also die Jafne ist, das war eine jüdische Privatschule, ein sogenanntes Realgymnasium und die Schülerschaft bestand hauptsächlich aus Schülerinnen und Schülern, aus sehr orthodoxen Familien aus Ostfalen.
00:28:23: Osteuropäischen Orthodoxen-Familien.
00:28:26: Man hatte dort Tebreyesch Unterricht, also Altebreyesch.
00:28:29: Die religiöse Erziehung stand im Mittelpunkt des Ganzen.
00:28:31: In neunzehntdreisig begann die Ausgrenzung von jüdischen Schülerinnen und Schülern an staatlichen Schulen, also an städtischen Schulen besser gesagt, und die Jaffener erlebte einen Kolossalenaufschung, weil die ganzen jüdischen Schülerinnen und Schüler halt dahin drängten.
00:28:47: Und dieser Erich Klibanski war seit neunzehnundzwanzig Direktor des Ganzen.
00:28:53: Und er hat relativ schnell reagiert.
00:28:55: Er war ein sehr pragmatischer Mensch, jedenfalls vermute ich, das jetzt einfach mal.
00:28:59: Er hat also angefangen Englischlehrer zu engagieren.
00:29:02: Er hat modernes Hebräisch unterrichten lassen, weil ihm klar war, irgendwann müssen diese Kinder und Jugendlichen hier raus und sie müssen fit sein, irgendwie im Ausland zu überleben.
00:29:11: Und das können sie, wenn sie nach Palästina gehen, indem sie Hebräisch können oder wenn sie nach England oder in die USA gehen, indem sie Englisch können.
00:29:20: Und er hat dann, am neunten November, kam es zur Reichspogromnacht hier in Deutschland und auch in Köln, gab es schlimme Ausschreitungen.
00:29:30: Auch da hat er sofort reagiert.
00:29:32: Er hat sogenannte Kindertransporte nach England organisiert.
00:29:36: Es gab mehrere Transporte.
00:29:39: Ich glaube bis zum Frühling neununddreißig und er hat auf die Weise mehr als hundert Schülerinnen und Schüler gerettet.
00:29:47: Er selber wollte mit seiner Frau und seinen Kindern ebenfalls nach England gehen, aber das hat nicht mehr geklappt.
00:29:53: Er hat dann die letzten Monate seines Lebens mit seiner Familie eben in dieser Jaffne verbracht, die mittlerweile zu einem sogenannten Ghetto-Haus umfunktioniert war und auch er ist mit seiner Familie deportiert und ermordet worden.
00:30:08: Also es gibt mittlerweile den Erich Klibanski Platz, in der Nähe der Sankt-Arban-Straße.
00:30:14: Dort gibt es auch eine Gedenkstätte, die an die Jafne erinnert und es gibt den sogenannten Löwenbrunnen.
00:30:20: Das ist ein Brunnen auf diesem Platz, in dem alle Namen der Schülerinnen und Schüler eingemeistert sind, die zur Tode gekommen sind während der NS-Zeit in Köln.
00:30:30: Was würdest du generell sagen?
00:30:32: Also du hast jetzt da das angesprochen, dass es diese Gedenkstätte gibt.
00:30:36: Jetzt mal jenseits der Stolpersteine.
00:30:38: Wie ist es um die Erinnerungskultur bestellt?
00:30:40: Wir hatten jetzt schon die Königin Luise Schule.
00:30:44: Aber wie ist das an anderen Stellen?
00:30:45: Oder findest du, dass Köln einen guten Umgang gefunden hat und auf angemessene Weise erinnert?
00:30:49: Ach, ich denke schon.
00:30:50: Also wir haben das NS-Dokumentationszentrum.
00:30:53: was die NS-Geschichte, wie ich finde, hervorragend aufarbeitet, was vielleicht noch etwas mehr Personal vertragen könnte.
00:31:02: Wir haben Schulen, die engagiert sind, und wir haben auch viele Privatpersonen, die sich dafür interessieren und engagieren.
00:31:08: Wir merken das immer, wenn wir Patinnen und Paten suchen für unsere Stolpersteine.
00:31:12: Also, man muss halt finanzieren, um ein wenig Eigenwerbung zu machen.
00:31:18: Und wir sehen, wie groß das Interesse.
00:31:19: eben an diesen Patenschaften ist.
00:31:21: oder viele Menschen fangen an selber zu recherchieren.
00:31:25: Wer steckt hinter den Namen?
00:31:27: Was war das Schicksal dieser Menschen?
00:31:29: Und das finde ich doch sehr hoffnungsgebend.
00:31:32: Wenn man eine Patenschaft übernehmen möchte, was muss man dann tun?
00:31:35: Man muss sich melden im Endes Dokumentationszentrum, und zwar bei Herrn Basalama, der das Ganze verwaltet.
00:31:40: Und er guckt dann, wie viele Stolpersteine werden verlegt?
00:31:43: Suchen wir noch Paten?
00:31:44: Brauchen wir die jetzt oder vielleicht dem nächsten Jahr?
00:31:47: Man zahlt hundertzwanzig Euro.
00:31:49: Und dann kann natürlich bei der Verlegung dabei sein.
00:31:51: Man wird informiert, für wen das Ganze ist.
00:31:54: Ja, und so läuft das denn ab.
00:31:56: Du hast gesagt, es sind, glaube ich, zwei tausend achthundert mittlerweile in Köln.
00:31:59: Ja, so im Drehraum.
00:32:00: Und es kommen jedes Jahr, na, sagen wir mal, achtzig bis hundert dazu.
00:32:05: Und wie reagieren die Leute?
00:32:06: Weil du hast es ja gesagt, du schreibst, also du machst diese Anschreiben an die Menschen, die da jetzt leben in diesen Häusern.
00:32:14: Kriegst du da Feedback
00:32:15: auch?
00:32:16: Also in der Regel sind die Reaktionen positiv.
00:32:18: Ich habe also auch schon Schreiben verteilt und ich habe immer Häuser erwischt, wo man klingeln musste, um an den Briefkasten zu kommen.
00:32:25: Also habe ich immer geklingelt und wenn ich sage, ich komme von meiner Stokke und ich habe hier diese Schreiben, das ist mein Anliegen, die Menschen waren immer sehr, sehr aufgeschlossen.
00:32:34: Dass es negative Reaktionen gab, das habe ich in diesen sechs Jahren nur zweimal erlebt.
00:32:39: Das war der Besitzer eines Konfektionsgeschäftes, den ich wollte, dass die Steine vor seinem Haus verlegt werden.
00:32:46: Also vor seinem Geschäft, das sei kundenschädigend.
00:32:49: Und ein Privatmensch sagte, es könne überhaupt nicht sein, dass eine jüdische Familie in diesem Haus gelebt hat.
00:32:57: Er hätte sich schließlich bei Wikipedia informiert.
00:32:59: Na ja.
00:33:01: Das lassen wir mal so stehen.
00:33:04: Du schreibst in deinem Buch, allerdings werden wir an den einzelnen Stationen nicht nur zurück in die Vergangenheit verwiesen, sondern auch voran in die Zukunft.
00:33:14: Das stimmt, finde ich.
00:33:15: Du hast es eben auch schon angesprochen, Antisemitismus nimmt massiv zu, Rechtsruck auch.
00:33:21: Wie ist das vor diesem Hintergrund, so ein Buch zu schreiben, wenn man weiß, wie sich die Gesellschaft entwickelt, vor welchen Problemen wir da stehen?
00:33:28: Also ich finde es einfach wichtiger, denn je sich mit diesem Thema zu beschäftigen und quasi zu warnen, was werden könnte.
00:33:37: Aber hast du das Gefühl, weil ich das auch eben fragte, mit dem das es ja sehr, sehr wenige Zeugen nur noch gibt, die wirklich erzählen können, dass das eine Rolle spielt, das vielen Leuten nicht mehr bewusst ist, wohin Ausgrenzung, Antisemitismus, Rassismus im schlimmsten Fall führen können?
00:33:56: Ich glaube nicht, dass sich die Menschen genügend mit der Vergangenheit beschäftigen.
00:33:59: Sonst hätten sie ja einige Lehren daraus gezogen.
00:34:02: Oder aber sie haben die falsche Lehren daraus gezogen.
00:34:04: Das kann natürlich auch sein.
00:34:06: Ich finde es einfach wichtig, sich mit dem zu beschäftigen, worauf unsere Gegenwart aufbaut.
00:34:12: Und darüber möchte ich mehr denn je aufklären.
00:34:16: Das war mir dann Grund, warum ich auch Geschichte studiert habe, wobei ich nie damit gerechnet habe, hier zwei Bücher über Stoppersteine zu schreiben.
00:34:22: Aber das ist ja das Schöne, dass sich solche Sachen dann so entwickeln.
00:34:26: Du stellst dein Buch am Donnerstag, am sechzehnten Oktober, um achtzehn Uhr im NSDoc vor.
00:34:32: Das heißt, alle, die es am Donnerstag hören, könnten noch hinkommen.
00:34:35: Ansonsten sei Ihnen das Buch natürlich sehr empfohlen.
00:34:38: Hast du denn eine persönliche Lieblingsgeschichte?
00:34:41: Das ist jetzt ein komisches Wort in diesem Zusammenhang.
00:34:43: Aber ist irgendeine Person dir besonders in Erinnerungen geblieben?
00:34:48: Also ich glaube, das ist wirklich der kleine Junge.
00:34:50: Johnny Herz eben, weil er keine Chance hatte.
00:34:53: Nicht, dass die anderen sehr viel mehr Chancen gehabt hätten.
00:34:55: Das will ich damit nicht andeuten.
00:34:57: Aber sein Leben war so kurz und es hat eigentlich vom Tag seiner Geburt an steuert es auf seinen baldigen Tod zu.
00:35:05: Ich habe mich dann auch gefragt, wie viel Freude hatte der kleine Junge denn in seinem Leben?
00:35:10: Oder hat es die Familien geschafft, selbst im Auschwitz ihn abzuschirmen von dem, was um ihn herum passiert ist?
00:35:16: Ja, das ist ja auch, weil du das eben erzählt hast.
00:35:18: Also Briefe dann eben, was man ja so schreibt und sagt ja jetzt kann er schon laufen, jetzt macht er schon dies, jetzt macht er schon das und das an so einem Ort.
00:35:25: Man kann sich das ja gar nicht, also man kann es sich ja gar nicht vorstellen.
00:35:30: Man mag es sich auch
00:35:30: gar nicht vorstellen.
00:35:31: Nee, man mag es sich auch nicht vorstellen, das stimmt.
00:35:34: Du wirst über Johnny und bestimmt über sehr viele andere Menschen reden bei dieser Präsentation.
00:35:39: Ich sag's nochmal, Donnerstag, sechzehnter Oktober, achtzehn Uhr und allen anderen, die da nicht hinkommen können, sei ... Herzlich deinen Buch empfohlen, auch da sag ich noch mal, wie es heißt, auf der Spur der Stolpersteine, Elfwege der Erinnerung durch Köln, erschienen im Metropolverlag.
00:35:54: Petra, vielen Dank für dieses sehr berührende Buch und deine sehr wichtige Arbeit und sehr schön, dass du da warst.
00:35:59: Ja, ich danke nochmal für die Einladung und es hat mir großen Spaß gemacht, mit dir zu reden.
00:36:04: Das freut mich mir auch und ich bin schon sehr gespannt aufs nächste Buch.
00:36:07: Wart mal zwei Jahre, dann sitzen wir wieder hier.
00:36:09: Okay,
00:36:09: die Zeit gebe ich dir.
00:36:11: Und Ihnen sage ich vielen Dank fürs Zuhören und bis bald.
00:36:14: Anregungen, Kritik, Vorschläge für Talk-Este, sehr gerne per Mail an mich an anne.bruckmehr.etkstarmedien.de.
00:36:23: Und die nächste Folge Talk mit Kar gibt's nächsten Donnerstag um sieben
00:36:39: Uhr.
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